Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine gute Gelegenheit, Manufakturen und Handwerksbetriebe in und um München hochleben zu lassen. Denn nirgends findet man so einzigartige Geschenke wie in diesen weihnachtlichen Werkstätten. Frohes Schenken – und Schaffen!
Barbara Grathwohl war eine emanzipierte Frau. Respekt, denn sie lebte vor hundert Jahren und war mit einem gut situierten Münchner verheiratet. Man redete. Präsentables Beiwerk wollte die Mittdreißigerin aber nicht sein. Und so eröffnete sie 1918 ein Geschäft in der Maximilianstraße – zur gütlichen Einigung unter anderem Namen: Elly Seidl – der Name ihre Tochter und ihr Mädchenname. Anfangs verkaufte Grathwohl Feinkost und Marmeladen, auf Nachfrage bald erlesene handgefertigte Pralinen. Heute sind die kleinen essbaren Kunstwerke die Spezialität der Konditorei Elly Seidl.
Seit den 1970er-Jahren führt die Familie Rambold das köstliche Erbe fort und ergänzte das Sortiment um Schokolade als Tafel, Bruch und zum Trinken. Zur Adventszeit gießt sie belgische Kuvertüre in Form, zu Nikoläusen, Engeln, Bischöfen und Wichteln, und taucht Elisenlebkuchen, Florentiner und Baumkuchen hinein.
Und sie befüllt Adventskalender mit: na? Pralinen! Glänzenden, zart duftenden Schokobollen, die knacken, wenn man draufbeißt, und dann auf der Zunge zergehen. So erlebt man „Honey Moon“, eine weiße Trüffelpraline mit Macadamia-Nougat und Honig, oder einen Kurzurlaub „Copa Cabana“ mit Rum und einer Ananas-Zitronen-Paste in Zartbitterkuvertüre. Bekannte Namen wie Willy Bogner, Konstantin Wecker und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter verehren Pralinen namens „Annette“, „Barbaretta“ und „Katharinchen“.
Online kann man seine Lieblinge mit dem Pralinenbox-Konfigurator aus 120 Sorten zusammenstellen. Oder ein Foto seiner Liebsten auf Pralinen drucken lassen: Lebensmittelfarbe auf weißem Schokoladenplättchen, hochaufgelöst bis
in den Mund.
Der Legende nach entwickelte übrigens der Schweizer Frédéric Neuhaus das Hohlformverfahren zur Pralinenherstellung. Sein Vater Jean führte 1857 eine Apotheke in Brüssel, mit Bonbons gegen Husten und Likörstäbchen gegen Magenweh. Frédérics Idee, die Medizin mit Schokolade zu überziehen, mündete in der Eröffnung einer Konfiserie. Schokolade macht nämlich glücklich. Und Lachen ist ja bekanntlich die beste Medizin.
Insider-Tipp
Elly Seidl weiß, dass ihre Kreationen zum Sugar Rush verführen. Deshalb rät sie explizit, jedes Stück langsam im Mund zergehen zu lassen und die Aromen zu studieren, anstatt alle pausenlos zu inhalieren. Die Entwicklung einer einzigen neuen Sorte dauert immerhin fast ein halbes Jahr. Eine der Pralinen wurde nach Maximilian Rambolds kleiner Tochter Emma benannt – ein weißes Schokotöpfchen mit Kaffee-Ganache, weil das Mädchen ihre Eltern schon während der Schwangerschaft wach hielt.
Elly Seidl
Maffeistraße 1
Am Kosttor 2
Tal 40
„Auf dem besagten Blatt aus des Herrn Prantl Papierhandlung [...] schrieb ich den Krull“, notierte Thomas Mann in seinem Tagebuch. Sein unvollendeter Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ entstand auf dem wertigen Papier der Münchner „Hofdruckerei und Galanteriewarenmanufaktur Prantl“ – so wie alle Werke des Schriftstellers, seit er 1894 nach München zog.
Einen Brief oder eine Grußkarte zu schreiben oder zu erhalten, ist heutzutage an und für sich etwas Besonderes. Es drückt Wertschätzung dem Adressaten gegenüber aus. Und es fühlt sich umso wertvoller an, erlesenes Papier langsam aus einem festen, fein gefalzten seidenen Umschlag zu ziehen.
Das Familienunternehmen Prantl ist das einzige seiner Art in Deutschland und zählt zu den ältesten weltweit. Franz Anton Prantl gründete es 1797 in der damaligen Haupt- und Residenzstadt. Neben Akzidenzien, sprich exquisiten individuellen Drucksachen, handelte Prantl anfangs auch mit Kaffee, Tee, Seiden-, Silber-, und Goldwaren.
Bekannt war die Manufaktur aber für ihre Papierveredelung und Stahlstichprägung, ein Tiefdruckverfahren, das bis heute beim Druck von Banknoten eingesetzt wird. Prantls Graveure fertigten Wappen, Initialen und Monogramme für Namen und Ränge: Bayerns Könige und Prinzen, Habsburger und Wittelsbacher Adel, auch Kaiserin Elisabeth von Österreich.
Viele Künstler schätzten Prantls Akzidenzien: Wassily Kandinsky malte auf dessen Leinwänden, Richard Strauss komponierte auf dessen Blättern, Reiner Maria Rilke dichtete in dessen Notizbüchern. Für Siemens, Spaten, Löwenbräu und BMW lieferte Prantl die gesamte Papeterie. Thomas Mann plante, auch „den Sturz des Regimes von 1933 noch auf deutschem Papier (von Prantl)“ zu notieren. Er tat's im Exil wohl eher nicht. Der Rest ist ebenfalls Geschichte.
Insider-Tipp
Prantl setzt seit jeher auf Personalisierung. Heute kann man online eigene Designs, Fotos und Zeichnungen auf Briefpapier und Karten drucken und in der ikonischen roten Geschenkbox liefern lassen. Alternativ gibt es auch persönliche Geschäftsausstattungen „nach Maß“ aus der Satzabteilung von Prantl.
Prantl
Brienner Str. 11
(Und bei Ludwig Beck „Papeterie“, Marienplatz 11)
Schon 1370 beglückte ein „Lebzelter“ – ein Lebkuchenbäcker die Stadt München mit würzigen Honigkuchen. Anders als in Nürnberg, wo man die Kuchen mit Mandeln und Zitronat dekorierte, stachen die Einheimischen das Gebäck mit Formen aus und verzierten es mit buntem Zuckerguss. Das Lebkuchenherz prägt bis heute das Bild der „Weltstadt mit Herz“.
Normalerweise baumelt es auf den großen und kleinen Münchner Volksfesten und Christkindlmärkten von vielen Buden. „Die Lait kommunizieren mit unsere Herzen“, sagt Michael Schifferl, der seit 1979 in seiner Bäckerei in Puchheim Lebkuchen backt und auch individuell beschriftet – mit Kosenamen, Handynummern und einmal einem Heiratsantrag. Die Schlagerband „Flippers“ ließ ihre Fans darauf wissen: „Du bist der Oscar meines Herzens“.
Die Märkte müssen nun ruhen, auf Lebkuchen verzichten muss aber niemand: Herzen, weihnachtliche Figuren von Elch bis Stern und geschlechtsneutrale Lebkuchenmännchen aus Honigkuchen bekommt man auch online bei Schifferl. Schon beschriftet und gestaltet. Oder als Rohling, „nackert“: um mit Zuckerguss seine eigene Botschaft zu verkünden und sich diese um den Hals oder an den Weihnachtsbaum zu hängen. Um der Oma von Herzen ein „Frohes Fest und gesundes neues Jahr“ zu wünschen, die Kollegin zu überraschen, dem besten Freund das Jugendwort des Jahres „lost“ mitzuteilen. Oder um einfach mal „Danke“ zu sagen.
Insider-Tipp
Lebkuchen schmecken mindestens zwei Jahre. Wohlgemerkt mindestens. Schon die alten Ägypter legten ihren Toten honiggesüßte Kuchen fürs Jenseits in die Grabkammern. Wir legen sie für unsere Lieben unter den Weihnachtsbaum.
Lebkuchenherz München Schifferl
Weihnachten ist eine wundervolle Tradition. Auch, wenn viele Kinder heute nicht mehr genau wissen, was wir da eigentlich feiern: Konsum? Völlerei? Nein, ihr Kinderlein. Wir feiern die Liebe und diesen Typen, der vor über zweitausend Jahren aus Liebe zu uns für uns starb und am 24.12. geboren wurde. Krippen stellen die Geburt Jesu Christi dar. Bevor der Weihnachtsbaum im 19. Jahrhundert beliebt wurde, standen sie im Mittelpunkt des Festes. Als Erster spielte der heilige Franz von Assisi die Weihnachtsgeschichte 1223 in Greccio, Italien, mit Menschen und lebenden Tieren nach, anstatt sie trocken runterzupredigen.
In einer Schreinerei in Herbertshausen bei München stellen die Freunde David Seifert und Thomas Babinsky Brotzeitbrettl aus heimischen Hölzern her – und merkten vor einigen Jahren, dass sie beide in ihrer Freizeit gerne Krippen basteln. Seitdem erschaffen sie gemeinsam detailreiche orientalische und alpenländische Krippen, die Christi Geburt von Betlehem nach Bayern verlegen.
An den kleinen Szenerien und vielen Details kann man sich nicht sattsehen: eine Mini-Leiter, die zu einer mit Eisen beschlagenen kleinen Tür zum Heuboden führt! Ein Plumpsklo, ein Brotofen, ein Vogelhäuschen! Das Krippenbauen ist in vielen bayerischen Gemeinden Tradition zur Voradventszeit. Es erdet. Und die Krippe verlängert die Vorfreude auf den Heiligen Abend.
Wer selbst eine Krippe bauen möchte, findet online eine penible Anleitung zu Bemalung, Beleuchtung, Botanik, Bau. Dann kann man selbst den Kaspar der drei Weisen aus dem Morgenland mit einem zehn Zentimeter kleinen Dreschflegeln das Getreide schlagen und einen Pfeife rauchenden Opa mit der heiligen Maria am kleinen leuchtenden Hirtenfeuer über Beherbergungsverbote diskutieren lassen.
Eine weitere Möglichkeit, das nötige Know-how für den Bau einer Krippe zu erlangen, ist die Teilnahme am jährlichen Krippenbaukurs von September bis November, der von den Ampertaler Krippenfreunden organisiert wird. Mehr Infos zu den Kursen gibt es unter www.ampertaler-krippenfreunde.de. Anmelden sollte man sich bereits im Juli und August per E-Mail unter info@ampertaler-krippenfreunde.de.
Insider-Tipp
Maria kniet oder steht rechts neben dem Jesuskind in der Futterkrippe, auf der Evangelienseite, von den Betrachtern aus also links. Josef steht auf der Epistelseite, also rechts. Ob im Stall oder nah am Geschehen steht der Esel auf Marias Seite, der Ochse bei Josef. Quelle: Die Bibel und „Das Pseudo-Matthäus-Evangelium“ (gibt es wirklich).
Weihnachtskrippen Manufaktur
David Seifert und Thomas Babinsky GbR
Ligsalzstraße 46
85241 Hebertshausen